Was Fruchtbarkeitsmarker verraten
(K)ein Blick in die Zukunft: Tests zur Eizellreserve
Wäre es nicht wunderbar, sicher zu wissen, ob man mit 42 Jahren noch leicht ein Baby bekommen kann? Oder wann es spätestens Zeit wird, eine Schwangerschaft zu planen beziehungsweise Eizellen entnehmen und einfrieren zu lassen, um sie später mit männlichen Spermien befruchten zu lassen? Wenn man wichtige Fruchtbarkeitsmarker ganz einfach bestimmen könnte, etwa den FSH Wert? Dieses Hormon regt die Bildung der Follikel in den Eierstöcken an.
Zwischen 2015 und 2017 sah es so aus, als wären solche Blicke in die Zukunft für jede Frau per Eigentest machbar und könnten künftig ganz einfach zu Hause vorgenommen werden. Mehrere Anbieter aus verschiedenen Ländern brachten Tests auf den Markt, die Aussagen über die Menge der verbliebenen Eizellen oder aber das Risiko für eine verfrühte Menopause erlauben sollten. Die meisten dieser Tests fahndeten nach dem Anti-Müller-Hormon, kurz AMH, im Blut der Anwenderin. Der AMH-Spiegel verrät, ob die Eizellreserve in den Eierstöcken dem Lebensalter entspricht oder davon abweicht.
Ein anderer Test, für den ein Wangenabstrich genügte, analysierte Einzelnukleotid-Polymorphismen (englisch: single nucleotide polymorphisms, SNP). SNP sind Variationen von Basenpaaren innerhalb eines komplementären DNA-Doppelstrangs. Für bestimmte SNP ist nachgewiesen, dass sie mit einer verminderten Fruchtbarkeit bzw. frühen Wechseljahren assoziiert sind. Dieser Heimtest hat sich allerdings nicht durchgesetzt und ist nicht mehr erhältlich, und auch die meisten AMH-Heimtests verschwanden wieder aus den (Online-)Apotheken.
Fruchtbarkeitstest im Wohnzimmer
Wer den eigenen AMH-Wert als Indikator für die eigene Fruchtbarkeit kennen möchte, kann sich dennoch weiterhin für umgerechnet 70 bis rund 150 Schweizer Franken ein standardisiertes Test-Set anfordern. Die Anwendung ist einfach: einen Finger desinfizieren, die Fingerbeere einstechen und etwas Blut in dem Röhrchen, das zum Test-Set gehört, sammeln. Anschließend gut verschließen, verpacken und alles an das Labor schicken, das das Blut weiter untersucht.
Bei einem AMH-Wert unter 0,7 ng/ml gilt die Eizellreserve als vermindert, was weitere Untersuchungen und eventuell eine Fruchtbarkeitsbehandlung rechtfertigt. Auffallend hohe Werte (über 3,8 ng/ml) lassen hingegen eine Hormonstörung wie das PCO-Syndrom vermuten, bei der besonders viele Eibläschen gebildet werden. Das kann Fruchtbarkeitsprobleme nach sich ziehen, muss es aber nicht zwingend. Es gibt ebenfalls Betroffene ohne negative Auswirkungen.
Wer einen perfekten AMH-Wert hat, darf sich freuen: Die ovarielle Funktionsreserve ist optimal. Allerdings gilt das nur für den Moment. Eine schwere Erkrankung kann das schnell ändern – etwa wenn die Betroffene durch entsprechende Arzneimittel behandelt wird. Zudem geht die Quantität nicht unbedingt mit einer hohen Eizell-Qualität einher. Um zu erkennen, ob die Eizellen auch befruchtungsfähig sind und wie fruchtbar eine Frau insgesamt ist, wären weitere Untersuchungen der beteiligten Organe notwendig, per Ultraschall oder auch invasiv.
2017 erschien eine vielbeachtete randomisierte Studie, an der 750 Frauen zwischen 30 und 44 Jahren teilgenommen hatten und die die Beliebtheit der AMH-Tests zuhause rasch sinken ließ. Die Teilnehmerinnen hatten alle einen Kinderwunsch, waren gesund und ihre Partner auch. Die Ärzte bestimmten den AMH-Wert sowie weitere Fruchtbarkeitsmarker. Als Ergebnis wurde erhoben, ob und wie viele Frauen nach 6 und 12 Monaten schwanger wurden. Dabei zeigte sich, dass Frauen mit niedrigen AMH-Werten fast dieselben Chancen hatten, schwanger zu werden, wie Gleichaltrige mit optimalen AMH-Werten1. Das enttäuschende Resultat also: Eine klare Antwort auf die Eizellreserve gibt so ein Test allein nicht.
Mehr messen, mehr wissen?
Aus Deutschland stammt Avery, ein neuer Fruchtbarkeitstest für zuhause, der neben dem AMH-Wert auch die Werte für Progesteron, Follikel Stimulierendes Hormon (FSH), Luteinisierendes Hormon (LH), das Östrogen E2 und Prolaktin ermittelt. Auffälligkeiten jedes einzelnen Werts können ein Indikator für Fruchtbarkeitsprobleme sein. Allerdings ist auch hier jeder kontrollierte Wert nicht zwingend die Erklärung für eine geringere Fruchtbarkeit. Eizellen, Eierstöcke oder andere Bereiche können die Fertilität auch aus anderen Gründen einschränken. Nicht zuletzt hängt es immer auch mit der Qualität der männlichen Samenzellen zusammen, ob ein Kinderwunsch erfüllt wird.
Frauen mit regem Interesse an den Vorgängen in ihrem Körper oder mit Fruchtbarkeitsstörungen in der Verwandtschaft können sich mit einem Test eine gewisse Beruhigung erkaufen oder aber ihre Sorgen bestätigt sehen. Doch bei konkretem Verdacht auf ein Fruchtbarkeitsproblem ist eher der direkte Weg in die Frauenarztpraxis bzw. in eine Fertilitätsklinik sinnvoll. Denn nur hier können die Eierstöcke mit Ultraschall untersucht und kontrolliert, die sprungbereiten Eibläschen gezählt und das Volumen der Eierstöcke bestimmt werden. Erst damit können genauere Aussagen zur Funktionsreserve an Eizellen gemacht werden. Auch bezahlt dann womöglich die Krankenkasse die Testung von AMH und anderen Markern sowie anschließende Behandlungen, mit denen die Fruchtbarkeit verbessert werden kann.
Was ist von Gentests zur Messung der Fruchtbarkeitsreserve zu halten? Klar ist, die Gene reden ein gewichtiges Wort mit, wenn es um die individuelle Fruchtbarkeitsspanne geht. Aber in den Händen von Unerfahrenen sind solche Tests wenig aussagekräftig. Nur sehr gute Zentren verfügen über das nötige Knowhow. Aktuell sinnvoll sind Gentests bei Frauen, die trotz bester Voraussetzungen nicht schwanger werden, die schon mehrere Fehlgeburten hatten oder bei Verdacht auf eine unerkannte Chromosomenstörung2. Denn manche Mädchen kommen zwar mit unbalanciertem Chromosomensatz, aber doch so gesund und fit zur Welt, dass bis ins Erwachsenenalter niemand von ihrer Besonderheit weiß. Triple-X-Syndrom und Fragiles X-Syndrom zum Beispiel führen häufig zu verfrühten Wechseljahren. Wer eines davon mitbringt, sollte doch möglichst früh Bescheid wissen. International wird an weiteren Gentestungen zur Bestimmung der Fruchtbarkeitsreserve auch chromosomal unauffälliger Frauen intensiv geforscht. Vielleicht kommen Untersuchungsmethoden, die Blicke in die weitere Zukunft erlauben, also irgendwann doch noch.
Hier kannst Du den Artikel als PDF downloaden:
Autorin: Petra Plaum (Fachjournalistin für Medizin und Bildung)
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Die genannten Tests:
Nur AMH zum Beispiel: Ovarian Reserve Test, LetsGetChecked.com, 139 Dollar
Avery Fruchtbarkeitstest, avery-fertility.com, 95 Euro
1) Steiner AZ, Pritchard D, Stanczyk FZ, Kesner JS, Meadows JW, Herring AH, Baird DD. Association Between Biomarkers of Ovarian Reserve and Infertility Among Older Women of Reproductive Age. JAMA. 2017 Oct 10;318(14):1367-1376. doi: 10.1001/jama.2017.14588. PMID: 29049585; PMCID: PMC5744252.
2) Rodrigues VO, Polisseni F, Pannain GD, Carvalho MAG. Genetics in human reproduction. JBRA Assist Reprod. 2020 Apr 15. doi: 10.5935/1518-0557.20200007. Epub ahead of print. PMID: 32293822.
Elterninfo Triple-X-Syndrom: https://www.triplo-x.de/syndrom.php
Elterninfo Fragiles-X-Syndrom: https://www.frax.de/familien/was-ist-fragiles-x-2/